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Nachhaltig. Stark. Weiblich. „Unternehmen mit diversen Teams sind zukunftsfähiger“

Mit ForTomorrow treibt Ruth von Heusinger Klimakompensation über den verpflichtenden EU-Emissionshandel voran. Im Porträt erzählt sie, woher ihr Klimakampfgeist kommt und was Erfolg mit gutem Aussehen zu tun hat.

Mitgliedsunternehmen Interview

Ruth von Heusinger von ForTomorrow

Papa, wir müssen unsere Heizung ausschalten, wegen dem Klima! Als die zwölfjährige Ruth von Heusinger an einem kalten Wintertag mit dieser Forderung aus der Schule kam, wusste ihr Vater nicht recht, ob er stolz oder amüsiert sein sollte. Ruth war sehr behütet aufgewachsen, doch eine gewisse ökologische Sensibilität hatten ihre Eltern ihr von klein auf mitgegeben. An diesem Tag hatte nun ein engagierter Lehrer einen neuen Kampfgeist in seiner Tochter geweckt. In der Schule gründete sie bald darauf mit Freunden eine eigene Greenpeace-Gruppe; später studierte sie Physik, um die großen Zusammenhänge rund um unsere planetaren Grenzen noch besser zu verstehen. Dabei war die Verlockung groß, sich in abgefahrenen Theorien zu verlieren. Doch sie entschied sich dagegen, denn ihr war klar: „Die Klimakrise ist einfach zu drängend, die Zeit zu knapp.“

Statt zu promovieren stieg sie als Trainee bei einem der größten Anbieter für erneuerbare Energien ein, plante Gas- und Wasserkraftwerke und landete schließlich im Emissionshandel. Hier wird geregelt, wieviel CO2-Verursacher emittieren dürfen. Für ihre Emissionen müssen sie staatlich ausgegebene Emissionsrechte kaufen. Für Ruth von Heusinger ein mächtiges Klimaschutz-Instrument, das jedoch längst nicht seine volle Wirkung entfaltete. Denn es wurden zu viele CO2-Emissionsrechte ausgegeben, um echte Anreize zu setzen.

 

„Für das Klima ist es wichtig, dass wir hier in Europa ansetzen.“

 

Nach einem Auslandsjahr in den USA beschloss sie, nicht in den Energiesektor zurückzukehren. Stattdessen stieg sie bei atmosfair ein, einer Non-Profit-Organisation für freiwillige Klimakompensation. „Die atmosfair Projekte sind toll, aber die meisten davon sind eher eine Art Entwicklungshilfe für den globalen Süden. Für das Klima ist es jedoch viel wichtiger, dass wir hier in Europa ansetzen, wo der CO2-Fußabdruck pro Person bei rund 9 Tonnen liegt – statt beispielsweise in Nigeria, wo jede:r gerade einmal eine halbe Tonne pro Jahr emittiert“, sagt Ruth von Heusinger.

Mit ForTomorrow gründete sie daraufhin ein Start Up, das doppelt wirkt. Das gemeinnützige Unternehmen unterstützt einerseits Klimaschutzinitiativen, die vor der eigenen Haustüre kehren, und reduziert andererseits den europäischen CO2-Ausstoß über den Emissionshandel. „Bei uns kann man den eigenen CO2-Fußabdruck durch den Kauf von Klima-Abos kompensieren. Mit dem Geld werden dann Bäume in Deutschland gepflanzt und wir kaufen europäische Emissionsrechte auf – um sie anschließend ungenutzt stillzulegen“, erläutert die Gründerin. Unternehmen können diese Emissionsrechte dann nicht mehr nutzen. Die insgesamt erlaubte Menge CO2, die Firmen aus dem Energiesektor, der Industrie und dem Flugverkehr ausstoßen dürfen, verringert sich. Dadurch steigt der Preis der Emissionsrechte und die Verursacher werden motiviert, ihre Emissionen zu reduzieren.

 

„Der einzige Vorteil in patriarchalen Strukturen ist, dass erfolgreiche Frauen besser in Erinnerung bleiben.“

 

Ruth von Heusingers Entschlossenheit, sich schon heute ForTomorrow einzusetzen, ist unerschütterlich. Während ihrer Berufslaufbahn hörte sie jedoch auch immer wieder Kommentare, die Selbstzweifel in ihr weckten. Ein Beispiel: Du bist nur so erfolgreich, weil du gut aussiehst. „Dabei weiß ich es ja eigentlich besser. Schließlich hätte ich sonst mein Diplom nicht mit sehr gut abgeschlossen“, sagt sie. Besonders in der Energiebranche hatte sie dennoch stets den Eindruck, als Frau mehr kämpfen zu müssen, um ernst genommen zu werden. Und das sei auch kein Wunder: „Auf Messen war es beispielsweise völlig normal, dass Frauen vor allem Hostessen und im schlimmsten Fall Stripperinnen auf den anschließenden Partys waren.“ Der einzige Vorteil von patriarchalen Strukturen sei, dass erfolgreiche Frauen aufgrund ihrer Seltenheit besser in Erinnerung blieben. „Dabei sollten sie die Norm sein!“, fordert Ruth von Heusinger.

Heute ist sie Vorständin im BNW und beschäftigt bei ForTomorrow sechs Mitarbeitende, die Hälfte weiblich, die andere männlich. Es ist ihr ein großes persönliches Anliegen, eine eigene, wertschätzende Organisationskultur zu schaffen. Nicht aus Trotz, sondern aus Überzeugung: „Unternehmen mit diversen Teams funktionieren besser und sind zukunftsfähiger“, sagt sie.

 

Ina Hiester ist freie Journalistin mit den Schwerpunktthemen Klima, Umwelt und Nachhaltigkeit. Während einer umfassenden Recherche rund um das Thema Geschlechtergerechtigkeit in der Biobranche stellte sie fest: viele Frauen sind zwar besonders empathisch und naturverbunden und engagieren sich für gesellschaftlichen Wandel. Doch auch im 21. Jahrhundert werden ihre Leistungen oft nicht genug anerkannt. In ihrer BNW-Porträt-Reihe „Nachhaltig. Stark. Weiblich.“ stellt die Journalistin deshalb Unternehmerinnen vor, die sich mit Herz und Verstand den ökologischen und sozialen Herausforderungen unserer Zeit stellen.