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#BNW­Purpose: “Macht das wirklich Sinn, dass ich so viel kaufe?”

In der Serie zum Purpose- und gemeinwohlorientierten Wirtschaften stellt der Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft Unternehmen vor, die sich gegen ein rein gewinnmaximierendes Modell entschieden haben. Die Blogserie „Purpose Economy“ soll Unternehmen inspirieren und praktische Denkansätze zu den Themen Gemeinwohlökonomie, Postwachstum & Suffizienz liefern.

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Das Interview wurde mit Boris Frank, Vorstand Einkauf/ Marketing BIO COMPANY SE, geführt.

Bitte beschreiben Sie kurz die Bio Company. Was macht das Unternehmen aus?

Boris Frank: Wir sind ein mittelständisches Unternehmen mit 63 Bio-Supermarktfilialen im nordöstlichen Raum. Der Schwerpunkt unserer Märkte liegt in Berlin-Brandenburg. Die Besonderheit der BIO COMPANY ist unser Regionalitätskonzept. Hierfür haben wir beispielsweise bereits den „Regionalstar“ gewonnen, verliehen 2018 von der Grünen Woche und der Zeitschrift Lebensmittelpraxis.

Mit der Kampagne „Kauf weniger“ wollten Sie Ihre Kund:innen dazu bewegen, weniger zu kaufen. Welche Gründe waren ausschlaggebend dafür, dass Sie sich für die Kampagne entschieden haben?

BF: Die Kampagne lief im Herbst 2019. Mit unserer Kampagne wollten wir dazu sensibilisieren, bewusster einzukaufen, also wirklich nur das zu kaufen, was man auch braucht. Hintergrund der Kampagne war, mehr Ressourcen zu schonen und somit für mehr Nachhaltigkeit zu sorgen. Insbesondere ging es um Lebensmittelverschwendung – alleine in Deutschland landen jedes Jahr 18 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll. Die Kampagne zeigt, dass es uns nicht nur um das eigene Verkaufen geht, sondern auch darum, künftigen Generationen natürliche Grundlagen zu erhalten. Wir wollten aber nicht nur unsere Kund*innen sensibilisieren, sondern auch Menschen darüber hinaus.

Sie schreiben auf Ihrer Kampagnenseite, dass Sie ein „sinnvolles Wachstum“ anstreben? Was genau verstehen Sie darunter? Welche Vorteile denken Sie haben Sie gegenüber “traditionell“ wirtschaftenden Unternehmen?

BF: Wir pflegen ein „organisches Wachstum“. Das bedeutet zum einen, dass wir nicht expandieren um jeden Preis. Zum anderen wachsen wir nur dort, wo es für uns wirklich Sinn macht, also dort wo wir unser Regionalkonzept auch umsetzen können. Das ist schwerpunktmäßig im nord-östlichen Raum: Hamburg, Berlin, Brandenburg, Dresden. Hier binden wir die regionalen Lieferanten mit ein, nicht nur für die Frische, sondern auch um regionale Wertschöpfungskreisläufe zu schaffen und kurze Lieferwege zu haben und damit CO2 zu sparen.

Welche war der prägendste Eindruck, den ihr Unternehmen durch die Kampagne hinterlassen hat?

BF: Wir haben mit dieser Kampagne tatsächlich den 1. „Marketing for Future-Award“ in 2020 gewonnen. Dies vom Bündnis für klimapositives Verhalten e.V. Das hat uns schon sehr gefreut. Die Jury ist hochkarätig, sie besteht unter anderem aus namhaften Wissenschaftlern wie Prof. Dr. Maja Göpel, damals Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung „Globale Umweltveränderungen“ sowie Prof. Dr. Volker Quaschning, HTW Berlin und Mitinitiator von „Scientists4Future“. Wir konnten die Jury in folgenden Kriterien klar überzeugen: „Absolute Authentizität“, „Entwaffnende Ehrlichkeit“, „Echte Empathie“ und „Klare Kante“.

In der Begründung heißt es: „Seine eigenen Kund*innen dazu zu ermutigen, weniger zu kaufen – und damit das eigene Geschäftsmodell zu torpedieren – ist mutig. Und hat einen konkreten Impact: Die Vermeidung von Verschwendung und die Reduktion von Konsum.“ Weiter heißt es: „Die Kommunikation im Marketing des LEH dreht sich fast nur um Sonderangebote, Billigpreise und XXL-Packungen. Je mehr, je billiger – desto besser.

Das Thema Lebensmittelverschwendung liegt Bio Company am Herzen. Mit der Kampagne KAUF WENIGER setzt Bio Company an diesem Punkt an und animiert jeden Einzelnen darüber nachzudenken, was er wirklich braucht. Mit einfachen und charmanten Möglichkeiten zeigt sie den Nutzer*innen auf allen relevanten Kanälen einfache Ideen, wie man weniger konsumieren kann. Und sorgt so für eine klimapositive Verhaltensänderung durch nachhaltigeres Verhalten – ohne den erhobenen Zeigefinger.“ Wir haben damit den 1. Platz in Gold gemacht und waren tief beeindruckt, dass unsere Kampagne solche Kreise bis hin zur Wissenschaft gezogen hat.

Was waren die größten Herausforderungen? Welche Chancen sehen Sie in der Durchführung der Kampagne?

BF: Teil dieser Kampagne war ein Sozialexperiment, welches wir in unserer Filiale Yorckstraße durchgeführt haben. Mit unserer temporären Aktion „Zahl, was es Dir wert ist!“ haben wir die Kunden schätzen lassen, was Ihnen der Einkauf wert ist – um auf die Wertschöpfungskette der Nahrungsmittel überhaupt aufmerksam zu machen. Das Ergebnis war überraschend: Der faire Wert der Produkte wurde mehrheitlich nicht erkannt – 62 % der Kunden schätzten den Preis für ihren Einkauf zu niedrig ein. Die Herausforderung lag darin einzuschätzen, ob sich Leute über die Sozialen Medien verabredet haben nach dem Motto: Du kannst heute alles bei der BIO COMPANY kaufen und dafür weniger und nur das zahlen, was Du willst. Oder eben herauszufinden, ob die Leute es tatsächlich nicht einschätzen können, was der wirkliche Wert der Ware ist. Die Chance ist aber dennoch, dass sich die Menschen Gedanken über ihren Einkauf machen und sich mit dem Thema auseinandersetzen.

Gab es Widerstände von Mitarbeitenden, Lieferanten, Investoren und Kooperationspartnern? Wie konnten Sie diesen begegnen?

BF: Es gab sicher Menschen, deren erste Gedanke war: Sind die denn verrückt geworden? Aber hinter dieser spontanen Assoziation steckt nämlich eines: ein unglaublicher Moment der Aufmerksamkeit, eines Innehaltens, ein Stutzen quasi. Und genau das wollten wir.Genau damit hat die Kampagne dann auch überzeugt. Denn unsere Message, die wir ja transportieren wollten, war: Macht euch Gedanken über Nachhaltigkeit. Macht das wirklich Sinn, dass ich so viel kaufe?

Wie bewerten Sie den Erfolg der Kampagne?

BF: Wir hatten eine unglaubliche Resonanz, nicht nur in den klassischen Medien, sondern vor allem auch in den Sozialen Medien. Wichtig war uns, dass sich über dieses Thema ausgetauscht wird und das haben wir für unsere gewünschten Bezugsgruppen sicher auch recht gut geschafft. Auch von Kund*innen haben wir sehr viel positives Feedback bekommen.

Planen Sie die Ausweitung der Kampagne?

BF: So einen Impact zu erzielen ist sicher einmalig und daher von der Wirkung nicht wiederholbar. Aber wir führen auch weitere Kampagnen durch wie beispielsweise: „Je näher, desto besser“ – hier ging es um Regionalität oder auch „kein Wischi-Waschi“, wo über die Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit von Wasch- und Reinigungsmitteln aufgeklärt wurde.