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Nachhaltig. Stark. Weiblich. „Wir haben von Anfang an mehr aufs Team geschaut“

Die Schwestern Elisabeth Gruber und Barbara Holz führen in Straubing in zweiter Generation das Familienunternehmen Gruber – jenseits alter Muster und konservativer Rollenbilder.

Mitgliedsunternehmen Interview

Elisabeth Gruber und Barbara Holz von Gruber-Folien

Als Kinder waren Elisabeth und Barbara bei der Belegschaft des Familienunternehmens und BNW-Mitglieds Gruber-Folien GmbH & Co. KG als „die Mädchen“ bekannt, heute sind sie hier die Chefinnen. „Nach meinem BWL-Studium bin ich früh in die Firma unseres Vaters eingestiegen. Als 2008 die Finanzkrise die Wirtschaft erschütterte und unser Vater krank wurde, überredete ich meine Schwester, mitzumachen“, erzählt Elisabeth Gruber. 2017 bekamen beide Schwestern erstmals Nachwuchs, 2019 übernahmen sie das Unternehmen. „Für uns beide war die Geburt unserer Kinder ein wichtiger Kipppunkt, ab dem es nicht mehr nur um unsere eigene, sondern auch um die Zukunft unserer Kinder und Enkel ging. Die Verpackungsbranche hat darauf einen großen Einfluss“, so Barbara Holz. Mit ihrem Unternehmen wollen die Schwestern nicht bloß Teil des Problems, sondern Teil der Lösung sein.

 

„Wir wollen Nachhaltigkeit aktiv vorantreiben“

 

Erich Gruber gründete die Gruber-Folien GmbH & Co. KG im Jahr 1975. Der Fokus: Flexible Verpackungen für fragile Produkte, Medikamente und anderes sensibles Füllgut. Wie für viele Gründer der Nachkriegsgeneration war auch für Erich Gruber ein sparsamer Umgang mit Energie und Ressourcen eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Von Anfang an arbeitete er eng mit regionalen Partnern zusammen, sodass bis heute 90 Prozent des eingesetzten Materials aus Deutschland stammt. Solide Voraussetzungen für die Ambitionen seiner Nachfolgerinnen. Barbara Holz sagt: „Wir wollen als Geschäftsführerinnen der Zweiten Generation Nachhaltigkeit aktiv vorantreiben. Unseren Strombedarf decken wir beispielsweise mit Ökostrom sowie über unsere eigene Photovoltaikanlage. Die größte Stellschraube ist allerdings das Material, das wir für unsere Verpackungen verwenden – es beeinflusst 90 Prozent unseres ökologischen Fußabdrucks.“ Leider sei die Verpackungsindustrie sehr konventionell geprägt. Was top fürs Produkt ist, sei oft schlecht für die Umwelt. „Viele Kunden wünschen sich als Verpackung eine Art gepanzerte Limousine. Aber auf dem Schrottplatz verursacht die später eben auch größere Probleme als ein Fiat Panda“, so Elisabeth Gruber. Bei Beuteln und Tüten dominieren etwa nach wie vor Verbundfolien aus verschiedenen Materialien, die nicht recyclingfähig sind. „Das wollen wir ändern. Unser großes Ziel ist es, eines Tages ganz wegzukommen von rohölbasiertem Plastik.“

 

Wir haben von Anfang an mehr aufs Team geschaut“

 

Der Weg bis zum erdölfreien Verpackungsbeutel mag noch weit sein, für die 50 Mitarbeitenden hat das weibliche Führungsduo jedoch schon heute vieles verändert. Denn Nachhaltigkeit hat nicht nur eine ökologische, sondern auch eine soziale Dimension. Elisabeth Gruber erläutert: „Wir haben von Anfang an mehr aufs Team geschaut, schaffen viel Raum für Ideen und eigenverantwortliches Arbeiten. Als Mütter ist es uns ein besonderes Anliegen, dass unsere Mitarbeitenden Arbeit und Familie unter einen Hut bekommen. Von Vollzeit bis 4-Tage-Woche über Jobsharing, Home-Office bis zu Führung in Teilzeit machen wir alles möglich. In der männer-dominierten Verpackungsbranche ist all das leider noch eher die Ausnahme als die Regel.“ Halb-belustigt, halb-wütend erinnert sich Barbara Holz an ein Unternehmer-Treffen im letzten Jahr. „Wir saßen zum gemeinsamen Essen mal wieder als einzige Frauen an einem Tisch voller Männer. Als unser Essen zuerst serviert wurde, kommentierte ich halb im Spaß: Na wenigstens werden wir Frauen im Restaurant nicht mehr diskriminiert. Ausnahmslos alle Männer am Tisch waren wie vor den Kopf gestoßen. Denn Diskriminierung von Frauen – das sei doch nun wirklich längst Schnee von gestern! Meine Schwester und ich konnten es kaum fassen, dass das wirklich die vorherrschende Wahrnehmung ist.“

 

„Frauen haben weniger das Bedürfnis, sich ständig profilieren zu müssen“

 

Bei Gruber ist der Frauenanteil für die Branche ungewöhnlich hoch. Elisabeth Gruber sagt: „75 Prozent unserer Mitarbeitenden sind Frauen, alle Führungspositionen sind mindestens paritätisch besetzt. Und das hat keinesfalls rein ideologische Gründe. Nach unserer Erfahrung sind reine Frauenteams oft effizienter, weil Frauen weniger das Bedürfnis haben, sich ständig profilieren zu müssen.“ Das Konzept scheint aufzugehen: bereits zum zweiten Mal infolge wurde das Unternehmen als Great Place to Work[1] ausgezeichnet.

 

Zur Kolumne:
Ina Hiester ist freie Journalistin mit den Schwerpunktthemen Klima, Umwelt und Nachhaltigkeit. Während einer umfassenden Recherche rund um das Thema Geschlechtergerechtigkeit in der Biobranche stellte sie fest: viele Frauen sind zwar besonders empathisch und naturverbunden und engagieren sich für gesellschaftlichen Wandel. Doch auch im 21. Jahrhundert werden ihre Leistungen oft nicht genug anerkannt. In ihrer BNW-Porträt-Reihe „Nachhaltig. Stark. Weiblich.“ stellt die Journalistin deshalb Unternehmerinnen vor, die sich mit Herz und Verstand den ökologischen und sozialen Herausforderungen unserer Zeit stellen.


 

[1] https://www.greatplacetowork.de/workplace/item/4820/gruber-folien+gmbh+%26+co.+kg